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Peru
Machu Picchu

Peru ohne Machu Picchu?

Lesedauer: ca. 12 Minuten

Die wiederentdeckte Inka-Stadt Machu Picchu gehört zu den Top-Sehenswürdigkeiten der Welt. Tausende Besucher kommen jeden Tag hierher. Wer noch nicht hier war, träumt davon, einmal hierher zu kommen. Ob es sich wirklich lohnt?

Wir überlegen, Machu Picchu auf unserer Peru-Reise auszulassen. Denn um überlaufene Touristenattraktionen machen wir eigentlich immer einen großen Bogen. Aber in Peru zu sein, ohne Machu Picchu zu besuchen, geht das?

Nein, eigentlich geht das nicht, zu dieser Überzeugung kommen wir. Zumal wir uns gerade in Cusco befinden, direkt in der Nähe von Machu Picchu.

Reiseplanung

Die Anzahl der Leute, die pro Tag Machu Picchu besuchen dürfen, ist beschränkt. Die Tickets sind Wochen oder in der Hauptsaison sogar Monate im Voraus ausverkauft, lesen wir. Und die zusätzliche Berechtigung, auf einen der beiden Berge gehen zu dürfen, ist noch schwerer zu bekommen.

Und so sind wir ziemlich überrascht, dass wir noch freie Auswahl haben. Offensichtlich ist gerade Nebensaison in der Nebensaison. Wir entscheiden uns, übermorgen um acht Uhr die Inka-Stadt Machu Picchu betreten zu wollen. Man muss tatsächlich im Vorfeld die genaue Stunde festlegen. Nun gut.
Und zusätzlich kaufen wir die Zutrittsberechtigung für den Berg Wayna Picchu. Was ein Fehler ist, wie wir später feststellen werden.

Unser Plan ist nun, dass wir eine Nacht in Aguas Calientes verbringen, dem Touristendorf direkt unter dem Machu Picchu, und dann morgens hinauf gehen.
Aguas Calientes verfügt über keine Straßenanbindung, man kommt nur mit einem völlig überteuerten Touristenzug dorthin. Deshalb wollten wir eigentlich so weit wie möglich mit einem Bus fahren, nämlich bis zu einer Haltestelle namens Hidroeléctrica, womit vermutlich ein Wasserkraftwerk gemeint ist. Und den Rest der Strecke, etwa drei Stunden, wollten wir den Schienen entlang zu Fuß gehen. Aber Nadine hat immer noch große Probleme mit der Höhe, also vermeiden wir besser unnötige Anstrengungen und greifen tief in unsere Reisekasse, um mit dem Zug zu fahren.

Am nächsten Morgen machen wir uns also auf den Weg nach Aguas Calientes. Ohne es zu wissen, hatten wir in Cusco eine Unterkunft direkt gegenüber dem Hauptbüro der Zuggesellschaft genommen, und genau von dort fährt der Zubringerbus ab. Sehr praktisch.

Aguas Calientes

Aguas Calientes kann man sich wie die südamerikanische Variante eines dieser riesigen österreichischen Skiorte vorstellen, die ausschließlich aus Restaurants und Unterkünften bestehen. Nur dass in Aguas Calientes die Gebäude nicht einmal im Ansatz versuchen, ein wenig Atmosphäre auszustrahlen.
Wo sich noch kein Hotel befindet, da wird gerade eines gebaut. Heruntergekommene Häuser wechseln sich mit Baustellen ab. Und mitunter befindet sich ein Haus in beiden Zuständen gleichzeitig.

Alles hier ist völlig überteuert. Das einzige, was man einigermaßen preiswert bekommt, ist Alkohol: Überall hängen Happy-Hour-Schilder an den Fenstern, vier Getränke zum Preis von einem. Unklar bleibt zunächst, wann diese Happy Hour ist. Den ganzen Tag, erfahren wir.

Ob es allerdings eine so gute Idee ist, sich zu betrinken, wenn man am nächsten Morgen steile Berge hinauf und hinunter gehen will, das bezweifle ich.

Durch Aguas Calientes zu spazieren ist ein ganz besonderes Erlebnis: An jeder Ecke kommt ein Touristenjäger auf einen zugeschossen, um das Opfer in ein Restaurant oder Hotel zu locken oder ihm irgendetwas zu verkaufen.
Wem so etwas Spaß macht, der wird sich in Aguas Calientes wohlfühlen.

Aber die Lage von Aguas Calientes ist beeindruckend, inmitten einer tiefen Schlucht, umgeben von steilen, hohen Bergen.

Und uns gelingt es nach einiger Zeit sogar, ein einigermaßen preiswertes Zimmer zu ergattern, mit Blick über einen Gebirgsbach hinweg direkt ins Grüne. Perfekt.

Bergauf

Am nächsten Morgen gehen wir los, hinauf zum Machu Picchu. Wir möchten nicht schon wieder viel Geld bezahlen, diesmal für den Shuttlebus, und gehen zu Fuß. Etwa eine halbe Stunde geht es auf der Straße einem breiten Gebirgsbach entlang und dann eine gute Stunde lang über endlose Steintreppen steil bergauf. Eigentlich ist es ein sehr schöner Weg durch dichtes Grün. Aber eben nur eigentlich.

Denn plötzlich fängt es heftig zu regnen an. Und nun fällt uns ein, was wir gestern vergessen haben: Regenschutz-Ponchos zu kaufen.
Völlig durchnässt kommen wir am Kontrollposten an der Brücke an. Meine letzte Hoffnung ist, dass der Kiosk dort Regenponchos verkauft, aber er ist noch geschlossen. Mist.
Der eine Kontrollposten-Beamte meint, der Kiosk würde sowieso nur Essen und Getränke verkaufen, aber der zweite schreit kurzentschlossen Richtung Kiosk, ob es „Plasticos“ gäbe. Und tatsächlich, von irgendwo aus dem Inneren des Kiosks kommt der Besitzer mit ein paar wie Mülltüten aussehenden Regenponchos angelaufen. Unsere Rettung. Wir kaufen ihm gleich einen Vorrat davon ab.

Nun dem Wetter entsprechend ausgestattet gehen wir weiter. Steil bergauf. Und wir haben das nächste Problem: Obwohl wir uns deutlich tiefer als die letzten Tage befinden, sogar unter dreitausend Höhenmeter, scheint Nadine nicht ausreichend Luft zu bekommen. Wir müssen zahlreiche Pausen einlegen. In dem strömenden Regen ist das nur begrenzt angenehm. Aber Nadine schafft es, wir kommen irgendwann oben an.

Einlasskontrollen

Es ist streng reglementiert, was man alles mit in die Ruinenstadt nehmen darf. Eigentlich so gut wie gar nichts. Nicht einmal Wasser in Plastikfkaschen. Drinnen wird aber nichts verkauft, also fürchte ich schon, die nächsten Stunden dursten zu müssen.

In der Praxis ist es aber so, dass man mitnehmen kann, was man will. Wahrscheinlich dienen die überall aufgestellten Schilder nur dazu, den Anforderungen der UNESCO zu genügen, in Wirklichkeit scheint es Peru nicht ganz so wichtig zu sein, was hier mit diesem Weltkulturerbe passiert. Dazu passt, dass sogar eine Seilbahn hier hoch geplant ist, damit noch größere Menschenmassen noch bequemer herkommen können und somit noch mehr Geld verdient werden kann. Sogar ein großer Flughafen wird in unmittelbarer Nähe gebaut. Wer wissen will, was der Massentourismus anrichten kann, der findet in Peru ausreichend Anschauungsmaterial.

Wie dem auch sei, jedenfalls habe ich jetzt ausreichend Trinkwasser dabei.

Wo ist Machu Picchu?

Wir stehen an einem Aussichtspunkt, von dem aus man eine fantastische Aussicht auf die Ruinenstadt von Machu Picchu haben soll. Der Blick auf die hoch über dem Tal in die Berglandschaft eingebettete Inka-Stadt soll mystisch sein.
Aber wir sehen hier nur: Nichts. Nur Grau. Nur dichte Wolken.

Das erklärt, warum uns beim Eingang lauter schlecht gelaunte Leute entgegen gekommen sind. Da haben sie sich monatelang oder sogar jahrelang darauf gefreut, haben ein Vermögen investiert, sind um vier Uhr morgens losgezogen, um als erstes hier zu sein - und dann gibt es statt mystischen Eindrücken nur Wolken und Regen. Frustriert verlassen sie Machu Picchu nun wieder.

Nach unserer Erfahrung ist es jedoch so, dass jeder Regen irgendwann aufhört und jede Wolke irgendwann verschwindet, man muss nur lang genug warten. Also warten wir. Zumal wir sowieso nicht viel nasser werden können, als wir ohnehin schon sind.

Der Regen hat schon aufgehört. Die ersten Teile der Ruinenstadt erscheinen aus dem Nichts. Und verschwinden wieder.

Berggipfel tauchen auf. Der Blick in das tiefe Tal öffnet sich. Die Stadt wird erneut sichtbar. Jede Sekunde wechselt hier alles.

Wolken kommen und gehen, verbergen mal einen Teil eines spitzen Bergs, fliegen dann über die grünen Terrassen. Das alles ist, nun ja, ich muss es zugeben: mystisch.

Menschen und Lamas

Mittlerweile ist es wirklich voll hier. Vermutlich sind wir nicht die einzigen, die ausgeharrt haben, so dass zu den Besuchern, deren Einlasszeit nun beginnt, auch noch zahlreiche Ausharrer kommen. Und jeder möchte natürlich die tollsten Fotos machen, erstaunlicherweise zumeist nicht von der Ruinenstadt, sondern von sich selbst. Jeder blockiert hier jeden.

Ein paar Stunden später mischen sich noch Lamas unter die Besucher.

Als eine Gruppe Lamas durch einen etwa einen Meter breiten Gang will, geht für einige Zeit gar nichts mehr.

Erstaunlicherweise gelangen wir immer wieder in Bereiche der Ruinenstadt, wo wir völlig alleine sind.

Nadine biegt um eine uneinsehbare Ecke und schreit plötzlich kurz auf.
Ein Lama wollte zeitgleich aus der anderen Richtung um diese Ecke. Vermutlich hat es sich ebenso erschrocken.

Der Berg

Noch vor Beginn unserer Einlasszeit sind wir am Kontrollpunkt vor dem Weg, der den Berg Wayna Picchu hinauf führt. Also warten wir hier bis zur vorgegebenen Zeit.
In der Zwischenzeit lese ich ein wenig in unserem Reiseführer. Was ich hätte früher machen sollen, vor der Entscheidung, auf welchen Berg wir wollen. Denn vom Wayna Picchu wird abgeraten, wenn man Höhenangst hat. Und das kann ich gut glauben, wenn ich sehe, wie steil dieser Berg ist. Und wie weit oben, direkt an der Kante, sich die Ruinen befinden, zu denen der Weg hinführt. Das Problem ist: Ich habe Höhenangst.

Ich probiere es trotzdem. Und alles geht gut. Zunächst zumindest. Eine gute Stunde gehen wir steil bergauf, immer wieder öffnen sich fantastische Ausblicke in das Tal hinunter und auf die gegenüber liegende Ruinenstadt Machu Picchu.

Wir kommen am Fuß von Inka-Terrassen an, darüber befinden sich weitere Ruinen. Links und rechts an den Terrassen führen steile Steintreppen hinauf. Und das hier ist jetzt zuviel. Meine verdammte Höhenangst schlägt zu. Ich schaffe es zwar noch hinauf, dort aber gerate ich in Panik. Mir gelingt es nicht, mich wieder zu fangen. Was nun? Ich komme hier nicht mehr weg.

Wir warten, bis alle anderen oben sind, und dann versuchen wir, sozusagen entgegen der Einbahnstraße zurückzugehen. Nadine lotst mich Schritt für Schritt nach unten.
Ich komme unterhalb der Terrassen an. Nach einiger Zeit ist meine Panik verschwunden. Der Rest des Rückwegs ist nun unproblematisch.

Unten angekommen schaue ich mir den Berg nochmals an. Und kann kaum glauben, was ich da sehe: Die Terrassen, an denen wir umgedreht sind, befinden sich fast ganz oben am Berg. Ich hätte es also beinahe geschafft. Verflixt. Am liebsten würde ich sofort nochmals hoch gehen, es dieser verdammten Höhenangst zeigen. Aber Nadine hält das für eine schwachsinnige Idee, vermutlich zu Recht.

Land:Peru
Ort:Machu Picchu
Reisedatum:07.01.2019 - 08.01.2019
Autor:Manuel Sterk
Veröffentlicht:14.01.2019
Leser bisher:209

Deine Meinung zu dieser Reiseerzählung:


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Jelly
Liebe Grüße und danke fürs Schreiben.
🙌🏽👍🏽😍
Thomas
Super spannend!
Ingrid Bettels
Wahnsinn, fantastisch dieser Ausblick auf die Stadt und dann der riesige Berg. Sehr spannend und gut geschrieben. Der Regen, scheint Euch wohl seit einiger Zeit zu verfolgen 😉Lieber Gruß und noch schöne Erlebnisse ☺😊
Cathrin
Trotz Regen echt beneidenswert :)
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