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Peru
Paracas

Das Festival am Strand

Lesedauer: ca. 7 Minuten

Musikalisch habe ich Peru bisher zwischen Panflöte und 80er-Jahre-Musik verortet. Und nun hängt hier ein Plakat, das für ein Festival mit Elektronischer Musik wirbt.

Es klingt ziemlich verlockend: An einem abgelegenen Strand findet dieses Festival statt, und zwar am kommenden Wochenende. Fünfundzwanzig DJs werden an den beiden Tagen auflegen, davon einige internationale.

Der Festival-Strand befindet sich in der Nähe von Paracas, und nach Paracas wollten wir sowieso noch, weil es dort im Pazifik ein paar kleine Inseln gibt, die als „Galapagos für Arme“ angepriesen werden. Pinguine, Pelikane, Blaufußtölpel, Seelöwen, Seebären und wasweißichnochalles soll man dort beobachten können.

Also machen wir uns auf den Weg.

Der Shuttle-Service

Laut Internet-Seite des Festivals gibt es einen Shuttle-Service zwischen einem Hotel in Paracas und dem Festival-Strand, was schon mal sehr komfortabel klingt. Wir erkundigen uns bei dem Hotel, ob das so stimmt, und nach einigen Telefonaten steht das Ergebnis fest: Ja, es gibt diesen Shuttle, allerdings zu einer anderen Uhrzeit als der angekündigten. Nun gut.

Zur vereinbarten Zeit sind wir da. Nach und nach tröpfeln noch ein paar weitere Festival-Besucher ein. Nur der Shuttlebus fehlt. In regelmäßigen Abständen bitte ich die Rezeptionsmitarbeiterin des Hotels, doch noch mal bei dem Transportunternehmen nachzufragen, und das Ergebnis ist immer, dass der Bus demnächst kommen würde.

Und so geht das über mehrere Stunden.

Ein junger Deutscher ist ziemlich genervt. Offensichtlich gehört er zu denen, die zuhause am Bahnhof jeden Tag lautstark über die Deutsche Bahn schimpfen, ohne dabei irgendwann auf die Idee zu kommen, es mal mit ein wenig mehr Gelassenheit zu versuchen.
Aber ansonsten lässt sich niemand von dieser Verzögerung großartig stören. Eine bunte Gruppe aus Vertretern zahlreicher europäischer und amerikanischer Länder hat sich hier zusammengefunden, und da wir schließlich viel Zeit gemeinsam verbringen, während wir auf den möglicherweise irgendwann doch noch kommenden Bus warten, treffen wir einige Zeit später als bereits zusammengeschweißtes Team am Festival ein.
Einige aus der Gruppe geben aber vorher auf und versuchen, zu dem Festival-Strand zu trampen. Und das ist gut so, denn der Minibus, der dann tatsächlich irgendwann ankommt, ist so klein, dass wir gar nicht alle hineingepasst hätten. Obwohl wir insgesamt kaum mehr als zwanzig Leute sind.

Das vorne sitzende Pärchen kapert die Musikanlage des Busses und sorgt für die passenden Beats während unserer Fahrt. Der Fahrer erträgt es tapfer, obwohl er sicherlich lieber seine Panflötenmusik gehört hätte.

Es geht ein gutes Stück auf der Autobahn Richtung Lima. Dann kommt eine Baustelle, und in dieser Baustelle wendet unser Fahrer. Ein Vorgehen, das in Deutschland vermutlich nicht ganz den Vorschriften entsprechen würde. Aber direkt am anderen Ende der Baustelle, nur eben entgegen unserer ursprünglichen Fahrtrichtung, befindet sich die Zufahrt zum Festival-Strand.

Die Festival-Organisation

Zwei Bühnen, dazu noch eine weitere Tanzfläche am Campingplatz, alles direkt am Strand gelegen - ein wirklich perfekter Rahmen für so ein Festival. Und so ist es ziemlich erstaunlich, dass selbst um Mitternacht vermutlich nicht einmal fünfhundert Leute hier sind.

Aber obwohl tagsüber kaum jemand da ist, geht bereits am frühen Nachmittag nach und nach an den einzelnen Ständen das Essen aus. Und kurz darauf auch das Wasser. Aber immerhin, Bier, Rum und Pisco gibt es noch in ausreichenden Mengen.

Der am besten gelegene Bierstand steht in der prallen Sonne, keinen Millimeter Schatten gibt es dort, aber die beiden Verkäufer halten tapfer die zwei Festivaltage durch. Bewundernswert. Allerdings haben sie eine Laune, dass man es sich jedesmal wirklich gut überlegt, ob man tatsächlich noch ein Bier kaufen soll. Vermutlich geht es den beiden ähnlich wie unserem Busfahrer, sie hätten sich bei Panflötenmusik deutlich wohler gefühlt.

An den Ständen zahlt man in einer eigenen Festival-Währung, die man vorher an einem separaten Stand einwechseln muss. Es ist jedes Mal ein gehöriger Aufwand, die Frau dort von ihrem Handy wegzubekommen, damit man sein Geld wechseln kann.

Die Preise sind so gestaltet, dass es für das Rückgeld mitunter keine Entsprechung in der Festival-Währung gibt, so dass man dann richtiges Geld zurückbekommt. Irgendwann wird es den Bierverkäufern zu blöd und man zahlt direkt mit normalem Geld.
Für die Trinkbecher zahlt man Pfand, allerdings kann man die Becher nirgends zurückgeben. Dafür gibt irgendwann ein anderer Stand die Becher kostenlos raus, alles also ein wenig verwirrend hier.

Die Toiletten sind erstaunlich sauber, aber irgendwann wird man gebeten, sie nicht mehr zu benutzen und stattdessen ein Stück in die Wüste hinaus zu gehen.

Es wäre interessant zu erfahren, wie viele Leute dabei im Laufe der Nacht verlorengehen.

Und tatsächlich wird unsere Gruppe im Laufe der Zeit immer kleiner. Einer von uns verbringt die Nacht damit, seine Freundin zu suchen. Am nächsten Tag hat er sie dann wieder. Eine andere wiederum wacht nachts um drei Uhr in einem Yoga-Zelt auf, wobei ich allerdings nicht weiß, woran genau man nachts um drei ein Yoga-Zelt erkennen kann, aber damit kenne ich mich nicht wirklich gut aus.

Der Sonntag

Jedenfalls sind wir am nächsten Tag nur zu dritt, als wir wieder auf den Shuttlebus zum Festival-Strand warten. Die meisten haben es also entweder gar nicht von dort weg geschafft oder sie schaffen es heute nicht mehr hin. Der Transportunternehmer entscheidet, dass es sich somit für ihn nicht lohnt, zu uns zu kommen, stattdessen sollen wir zu ihm kommen.

Also suchen wir ein Sammeltaxi, das uns in die nächste Stadt bringt. Diese Stadt heißt Pisco, so wie das peruanische Nationalgetränk. Und auf unserem Weg dorthin fahren wir über einen Fluss, der ebenfalls den Namen Pisco trägt. Bei der Vorstellung, dass hier ein ganzer Fluss voll von diesem alkohollastigen Getränk unter der Brücke hindurch fließt, wird mir ein wenig übel. Vielleicht war das gestern ein kleiner Schluck zuviel.

Jedenfalls finden wir in Pisco nach einiger Zeit das Transportunternehmen. Unser gewohnter Fahrer bringt uns dann von dort zum Festival-Strand. Diesmal läuft Panflötenmusik im Bus.

Ich kann mich nicht erinnern, jemals einen entspannteren Festivaltag erlebt zu haben. Wir verbringen die Zeit zwischen Meer, Strand und Tanzfläche, mit kurzen Ausflügen zu den diversen Getränkeständen. Die beiden Bierverkäufer sind mittlerweile schon so gut wie verdampft, von ihrer schlechten Laune bekommt man nicht mehr allzu viel mit.
Die DJs legen die perfekte Musik für einen solchen Tag auf. Besser geht es wirklich nicht.

Die Rückfahrt

Mittlerweile gibt es entgegen der extra nochmals eingeholten Zusage gar keinen Shuttle-Service mehr. Stattdessen haben sich ein paar Taxi-Fahrer am Festivalausgang positioniert, die unsere Situation ausnutzen wollen und Mondpreise verlangen.

Zum Glück steht gerade ein Lastwagen hier, und der Fahrer ist einverstanden, dass wir auf der Ladefläche bis zur Autobahn mitfahren.

Dort ist es dann erstaunlich schwierig, eine weitere Mitfahrgelegenheit zu finden. Aber irgendwann hält ein ehemaliger Schulbus an, in dem gerade eine Jugendfußballmannschaft nach Hause fährt. Man rückt enger zusammen und nimmt uns bis zu einer Straßenkreuzung in der Nähe von Paracas mit.

Und somit können wir morgen die Pinguine besuchen.

Land:Peru
Ort:Paracas
Reisedatum:26.01.2019 - 27.01.2019
Autor:Manuel Sterk
Veröffentlicht:31.01.2019
Leser bisher:117

Electro Selvámonos, so heißt dieses Festival übrigens.

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Ingrid Bettels
Herrlich! Dann mal auf, zu den Pinguinen 😊
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