REISE
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Chile
La Serena - RN Pingüino de Humboldt - Vicuña

Pinguine und Sterne

Lesedauer: ca. 9 Minuten

Wir könnten den Mietwagen gerne mitnehmen, sagt man uns, aber wir können ihn dann leider nicht mehr abgeben. Zumindest nicht wie in der Buchung angegeben am Sonntag. Denn am Sonntag ist das Büro geschlossen.

Dann nehmen wir das Auto eben einen Tag länger, wäre der naheliegendste Gedanke. Allerdings haben wir für den Sonntag bereits unsere Weiterreise gebucht. Wir müssen das Auto also irgendwie am Sonntag abgeben können, versuche ich dem Mietwagen-Mitarbeiter verständlich zu machen. Mein Hauptargument, dass ich den Mietzeitraum schließlich so gebucht habe und die Buchung mir auch so bestätigt wurde, zieht irgendwie nicht wirklich. Denn wenn am Sonntag geschlossen ist, dann ist geschlossen, was interessiert ihn da irgendeine von der fernen Firmenzentrale erstellte Buchungsbestätigung.

Letztendlich findet sich aber dann doch noch eine Lösung. Und zwar gibt es am etwas entfernt gelegenen Flughafen auch eine Filiale dieser Mietwagen-Firma, und die wäre am Sonntag geöffnet. Dort könnten wir also das Auto abgeben und ein Mitarbeiter würde uns dann kostenlos zurück in die Stadt zum Busterminal fahren. Perfekt. Sicherheitshalber lasse ich mir dieses getroffene Arrangement auf einem Notizzettel bestätigen, was eine gute Idee war, wie sich ein paar Tage später herausstellen soll. Obwohl, vielleicht wäre es besser gewesen, wir wären am Flughafen geblieben, dann hätten wir möglicherweise unsere Südamerika-Reise nicht vorzeitig abbrechen müssen. Aber zum einen ist das Spekulation und zum anderen eine ganz andere Geschichte.

Erdbeeren

Wir wollen noch ein wenig Proviant einkaufen und gehen in den nächstgelegenen Supermarkt. Der völlig überdimensioniert ist, etwa im Format eines Metro-Großmarkts.
Davor gibt es einen kleinen Stand, an dem Erdbeeren verkauft werden. Da müssen wir natürlich zugreifen, denn schließlich hat man nicht allzu häufig die Gelegenheit, mitten im März frisch gepflückte Erdbeeren genießen zu können.

Panamericana

Zum ersten Mal in meinem Leben fahre ich auf der Panamericana, dieser sagenumwobenen Stecke. Sie verbindet Alaska mit Feuerland, abgesehen von einer kleinen Lücke zwischen Panama und Kolumbien, sie erstreckt sich also über die gesamte Nord-Süd-Ausdehnung des amerikanischen Kontinents.

Von den insgesamt etwa 48.000 Kilometern des Panamericana-Streckennetzes fahren wir aber nur knapp vierzig, danach biegen wir ab auf eine Schotterpiste nach Punta de Choros.

Ausländische Touristen

Im Reserva Nacional Pingüino de Humboldt kann man die sogenannten Humboldt-Pinguine sehen, was aufgrund des Namens dieses Nationalreservats nicht allzu überraschend ist. Und Punta de Choros ist der Ort, an dem Bootstouren hierzu abfahren, und deshalb sind wir hier.

Wir steigen aus dem Auto aus und wollen uns in aller Ruhe erkundigen, welche Touren hier zu welchen Preisen angeboten werden. Aber dazu kommen wir nicht, denn wir werden sofort auf das nächste Boot dirigiert und dabei aufgefordert, uns zu beeilen. Und dann sollen wir auch noch irgendeine Extra-Gebühr bezahlen. Das alles hier scheint wohl eine ziemliche Touristen-Abzocke zu sein, denken wir.

Aber dann werden wir aufgeklärt: Die Isla Damas, eine der Attraktionen, darf aus Naturschutzgründen nur bis zu einer bestimmten Uhrzeit angefahren werden, und dieses Boot ist das letzte, das es noch rechtzeitig schaffen würde, zumindest dann, wenn wir uns nun endlich ein wenig beeilen würden.

Und die vermeintliche Extra-Gebühr ist der staatlich festgelegte Eintrittspreis für dieses Nationalreservat, und da wir den ja jetzt nicht bezahlt haben, wird man uns wahrscheinlich gar nicht auf die Insel lassen. Aber irgendeine Lösung wird sich schon finden, sichert man uns zu.

Immer diese ausländischen Touristen, wie die sich immer anstellen und alles kompliziert machen müssen - könnte der ein oder andere hier vielleicht denken.

Delphine, Seehunde und Pinguine

Es wird eine wirklich schöne und angenehme Bootstour. Unser mangelhaftes Sprachverständnis gleichen die beiden Bootsführer aus, indem sie sich ganz besonders um uns kümmern und uns notfalls alles ein zweites Mal erzählen.

Jedenfalls fährt unser Boot nun zur ersten Insel, wo wir unzählige Seehunde in einer imposanten Felsbucht bestaunen können. Auf dem Weg dorthin entdecken wir einige Delphine, aber immer nur für kurze Zeit, ein Foto von ihnen gelingt mir nicht.

Auch die erwarteten Pinguine sehen wir - aber leider nur sehr wenige. Wir erfahren, dass die Pinguine ab Februar oder März weiter die Felsen hinauf wandern. Aber immerhin sind wenigstens noch ein paar der Pinguine da.

Das Wetter ist alles andere als schön: bewölkt und kühl, aber immerhin trocken. Wahrscheinlich hätte bei Sonne alles anders ausgesehen, aber so präsentiert sich uns die Gegend und insbesondere die Isla Damas in einer ganz besonders faszinierenden Stimmung.

Die Weiterfahrt

Wir wollen heute Nacht in Punta de Choros bleiben und suchen daher nach einer Unterkunft. Etwas wirklich Überzeugendes hat dieser staubige Ort aber nicht zu bieten.

Aber es gibt hier eine Ferienanlage, die aus lauter weißen Kugeln besteht. Das müssen wir uns ansehen.
Die weißen Kugeln entpuppen sich als eine Art Luxus-Zelt, komfortabel und mit Sofa, Küche und Bad ausgestattet. Für umgerechnet etwa hundert Euro könnten wir hier die Nacht verbringen, was uns im Vergleich zu unseren sonstigen Unterkünften in Chile aber ziemlich übertrieben erscheint. Also fahren wir weiter.

Unterwegs werden uns zahlreiche Cabañas offeriert, Wohnhütten also, aber damit gibt es ein Problem: Das erste und bisher einzige Mal, dass wir auf dieser Reise eine Cabaña gemietet haben, war in Uruguay, in Punta del Diablo. Und da haben wir nicht allzu positive Erfahrungen gemacht, was jetzt aber auch schon wieder eine andere Geschichte wäre. Jedenfalls hat Nadine seitdem eine Abneigung gegen Cabañas. Also fahren wir weiter.

Und so kommen wir irgendwann, es ist bereits Abend, in Vicuña an, wo wir eigentlich morgen hinwollten. Unterwegs hat sich die Bewölkung aufgelöst und wir dürfen den Einstieg in die Berge in einer wunderschönen Abendsonnenbeleuchtung erleben.

Schlag auf Schlag

Um in Vicuña etwas zielgerichteter zu einer Unterkunft zu kommen, ziehen wir unseren Reiseführer zu Rate. Vor dem ersten positiv beschriebenen Hostal halten wir an, eine ältere Dame kommt aus dem Haus, eigentlich um uns zu sagen, dass wir hier nicht parken sollten, wir fragen nach einem Zimmer, sehen uns das an - und innerhalb von Minuten hat sich so unser Unterkunftsthema gelöst.

Das ging jetzt ähnlich schnell wie vorhin das mit der Bootstour. Und genau so soll es weitergehen:

Mit der Besitzerin des Hostals unterhalten wir uns über dies und das, und irgendwann fragt sie uns, ob wir heute eine Tour zu dem Observatorium hier geplant hätten, schließlich wäre heute eine perfekte Nacht dafür, kein Mond am Himmel, keine Wolken. Das wäre in der Tat interessant für uns, sagen wir, aber man müsste sich ja einen Tag vorher anmelden, haben wir gelesen, also könnten wir das wohl erst morgen oder übermorgen machen. Kurzerhand greift sie zum Telefon. Die englische Führung hat zwar schon begonnen, sagt sie uns dann, aber die spanische geht erst in einer Dreiviertelstunde los, abzüglich der Viertelstunde, die man vorher da sein müsste, bleibt uns also noch eine halbe Stunde, das sollte reichen. Wir stehen jetzt auf der Reservierungsliste.

Also gut. Gepäck ins Zimmer bringen, warme Sachen anziehen und los geht's. Dem Tipp unserer Hostal-Besitzerin folgend gehen wir in ein auf dem Weg liegendes Restaurant und bestellen jeweils ein Sandwich zum Mitnehmen, schließlich haben wir heute noch nichts gegessen. Während wir auf das Sandwich warten, werde ich zu ein paar Gläschen Pisco eingeladen. Vielen Dank.

Die Sternwarte

Wir haben nun keine Zeit mehr, unser Sandwich auch zu essen, und gehen direkt zum Büro der Sternwarte. Dort bekommen wir den Tipp, doch mit unserem eigenen Auto zu fahren, anstatt den angebotenen Minibus zu nehmen, so könnten wir einen Haufen Geld sparen. Also laufen wir zurück zu unserem Hostal und holen unser Auto. Der Minibus wartet solange auf uns, damit wir ihm hinterher fahren können. Nun gut.

Die Führung in der Sternwarte beginnt mit einem Informationsfilm, der aber eher wie ein Werbefilm des regionalen Tourismus-Marketingbüros daher kommt. Doch dann erwartet uns draußen ein wirklich faszinierender Sternenhimmel, mit Unterstützung eines Laserpointers bekommen wir erklärt, was wir da sehen, und zudem können wir durch verschiedene Teleskope schauen, was mal mehr, mal weniger interessant ist.

Jedenfalls sind wir wirklich froh, dass wir das mit der Sternwarte so spontan mitmachen konnten.

Die Baustelle

Zurück fahren wir alleine, schließlich kann dabei nichts schiefgehen, denken wir, wir müssen ja nur bergab fahren. Doch plötzlich landen wir in einer Gegend, wo wir bestimmt nicht hergekommen sind. Und dann übersehe ich ein Umleitungsschild und fahre direkt in eine sandige Baustelle. Und da stecken wir jetzt fest. Mitten in der Finsternis.

Dank etwas Glück gelingt es uns aber, doch wieder aus dieser Baustelle herauszukommen.

Und dann essen wir endlich unser Sandwich, auf einer Bank an der Straße.

Land:Chile
Ort:La Serena - RN Pingüino de Humboldt - Vicuña
Reisedatum:12.03.2015
Autor:Manuel Sterk
Veröffentlicht:14.10.2018
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