Wir waren auf unseren Reisen die letzten Jahre bereits zweimal im Amazonasgebiet, nämlich in Ecuador und in Bolivien, und beide Male waren das unvergessliche Erlebnisse.
Aber noch nie waren wir direkt am (und erst recht nicht auf) dem Fluss Amazonas selbst. Und da der Amazonas auch durch Kolumbien fließt, möchten wir die Chance nutzen und dies auf unserer jetzigen Kolumbienreise nachholen.
Allerdings ist es so, dass man nicht einfach mit dem Bus dorthin fahren kann. Hierzu müsste man Regenwald in einer Fläche größer als Deutschland durchqueren, und auch wenn man sich die Zeit nehmen und an den Drogenküchen, den Lagern der Guerillakämpfer und den illegalen Goldminen unbehelligt vorbei kommen würde, scheitert dieses Vorhaben schon alleine daran, dass es keine Straßenverbindungen gibt. Leticia, Kolumbiens größte (und genau genommen auch einzige) Stadt am Amazonas, ist rund 800 Kilometer von der nächsten Fernstraße entfernt.
Also müssen wir schon wieder fliegen. Auf dem Flug von Kolumbiens Hauptstadt Bogotá nach Leticia überqueren wir nicht nur scheinbar unendlichen Dschungel, sondern auch den Äquator. Als wir dann im dampfig-heißen Leticia aus dem Flugzeug steigen, befinden wir uns somit auf der Südhalbkugel der Erde.
Leticia
Wir spazieren mit unseren Rucksäcken durch die Straßen Leticias, auf der Suche nach einer Unterkunft, und fragen uns wie schon mehrmals auf dieser Reise, wo wir denn hier schon wieder gelandet sind:
Leticia präsentiert sich uns als ausgestorben und wenig einladend.
Aber selten war unser erster Eindruck derart falsch, wie wir später feststellen werden.
Wenn man abwartet, bis die Temperaturen am Nachmittag etwas erträglicher geworden sind, kommt Leben in die Stadt.
Wir sind davon ausgegangen, dass es hier, hunderte Kilometer vom Straßennetz Kolumbiens entfernt, kaum Waren geben wird - aber weit gefehlt: Die Supermärkte sind besser bestückt als in den meisten anderen Regionen im Land, es gibt Fachgeschäfte für alles, das gastronomisches Angebot ist beachtlich und auch auf den Märkten gibt es eine beeindruckende Auswahl.
Die hohe Dichte an Spielcasinos in dieser Stadt verwundert uns etwas, während sich die beinahe endlose Reihe an Geldwechselstuben an der Straße zum Hafen dadurch begründen lässt, dass es von hier jeweils nur eine kurze Bootsfahrt auf dem Amazonas nach Peru und nach Brasilien ist.
Später lernen wir, dass die Spielcasinos der Geldwäsche für Drogengeschäfte dienen, und haben somit auch dafür eine Erklärung.
Leticia hat auch durchaus seine schönen Ecken, auch wenn vieles hier, sagen wir einmal, ziemlich speziell ist.
Wir gehen zu einer Eisdiele und staunen nicht schlecht über das Angebot dort. Die klassischen Eissorten sucht man hier vergebens, dafür gibt es Eis beispielsweise aus Larven oder aus Ameisen. Zumindest steht das so auf den Schildern. Und das Eis sieht auch danach aus. Ich frage nach, ob denn das Ameiseneis wirklich aus Ameisen hergestellt wird, und bekomme als Antwort: Ja, selbstverständlich. Ich hoffe, dass das ironisch gemeint war, bin mir aber alles andere als sicher.
Ich entscheide mich sicherheitshalber für ein Eis, dessen Name mir zwar nichts sagt, dessen grüne Farbe aber einen pflanzlichen Ursprung erhoffen lässt.
Und tatsächlich, später lerne ich, dass der mir unbekannte Begriff die örtliche Bezeichnung für die Kokapflanze ist. Das Eis war also tatsächlich pflanzlich.
Der Spaziergang nach Brasilien
Wir gehen ein paar Blöcke weiter nach unten, in der Annahme, dort zum Amazonas zu kommen. Aber zunächst landen wir in einem Wohngebiet.
Dort gibt es einen Aufgang auf einen Steg, den wir natürlich ausprobieren. Ohne zu wissen, wohin er uns führen wird.
Der Steg verläuft hunderte Meter an auf Stelzen gebauten Wohnhäusern vorbei.
Und auf der rechten Seite des Stegs befindet sich tatsächlich der Amazonas. Oder zumindest Wasser, das zum Amazonas gehört.
Zu Zeiten, in denen der Wasserstand höher ist, wird vermutlich alles um und unter den Häusern voll mit Wasser sein, die Häuser stehen dann also sozusagen im Amazonas.
Und dann endet der Steg - und wir landen direkt auf einem Markt.
Wir durchqueren diesen Markt und das Areal rund um die Bootsanlegestellen und gelangen kurz darauf in ein Wohngebiet, bei dem uns nicht klar ist, ob wir uns hier noch sicher fühlen dürfen. Wir erkundigen uns bei einem Mann, der gerade an einer Ecke steht, bekommen aber keine wirklich klare Antwort hierzu.
Allerdings weist er uns darauf hin, dass eine Brücke weiter geradeaus marode ist und wir deshalb ein Stück weiter oben gehen sollten.
Wir entscheiden uns dann aber doch, dieses Viertel zu verlassen und Richtung Hauptstraße zu gehen.
Und kaum sind wir an der Hauptstraße angekommen, befinden wir uns plötzlich in Brasilien.
Leticia liegt im Dreiländereck am Amazonas und ist mit der brasilianischen Stadt Tabatinga zusammengewachsen. Insofern überrascht es uns nicht allzu sehr, nun plötzlich die Landesgrenze überquert zu haben und damit auch in einem anderen Sprachraum und sogar in einer anderen Zeitzone gelandet zu sein.
Wir gehen weiter bis zum Hafen...
... und sind nun zum ersten Mal wirklich am Amazonas!
Land: | Kolumbien |
Ort: | Leticia |
Reisedatum: | 15.03.2024 - 23.03.2024 |
Autor: | Manuel Sterk |
Veröffentlicht: | 21.11.2024 |
Leser bisher: | 11 |
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