Unser Aufenthalt auf den Azoren beginnt damit, dass ich mit dem falschen Rucksack aus dem Flughafen marschieren will. Das hätte lustig werden können.
Aber gerade noch rechtzeitig werde ich angesprochen: ob ich mir sicher sei, dass das mein Rucksack ist. Ich bin etwas verdutzt, denn selbstverständlich bin ich mir sicher, meinen Rucksack vom Band genommen zu haben. Ich schaue in das Fach im Deckel, in dem sich meine Regenhülle befinden müsste. Und erwartungsgemäß befindet sie sich auch dort. Nur seltsamerweise hat sie eine andere Farbe. Also sowas.
Mit allem hätte ich gerechnet, aber nicht damit, dass es meinen Rucksack zweimal gibt, auf dem selben Gepäckband.
Ich tausche den Rucksack aus gegen seinen Zwillingsbruder, und dann endlich verlassen wir den Flughafen und fahren zu unserem angemieteten Häuschen in Ponta Delgada, der Hauptstadt der Azoreninsel São Miguel, sogar Hauptstadt aller neun Azoreninseln.
Ponta Delgada
In Ponta Delgada gibt es einige Kuriositäten zu bestaunen. Beispielsweise wurde auf einem zentralen Platz eine Bühne aufgebaut, auf der jeden Tag Bands unterschiedlichster Stilrichtungen spielen. Das Besondere dabei ist, dass es niemals Zuhörer gibt. Ab und zu laufen zwar zwei oder drei Leute über den Platz, aber niemand bleibt hier länger, um sich die Musik anzuhören. Die Bands spielen trotzdem, stundenlang, ohne Publikum.
Anders sieht es neben der Kirche aus. Dort spielt samstags eine Blaskapelle vor großem Publikum. Die Pauken und Trompeten hört man fast im ganzen Ort, und wenn man nicht allzuviel Lust auf diese Musik hat und ein Restaurant für das Abendessen sucht, dann hat man ein Problem.
Am Hafen unten werden zahlreiche touristische Bootstouren angeboten. Am mutigsten finde ich das Angebot für eine Sunset-Sailing-Tour, für die angeblich nur noch wenige Plätze frei sind, und zwar mutig deshalb, weil es bei der starken Bewölkung heute garantiert keinen Sonnenuntergang zu sehen geben wird, sicherlich auch nicht auf einem Segelboot.
Andere Anbieter haben Walbeobachtungs-Touren im Angebot. Wir sind nun schon an zahlreichen Ecken dieser Welt gewesen und nicht selten hätten wir dabei Wale zu sehen bekommen - wenn wir jeweils zu einer anderen Jahreszeit dort gewesen wären.
Die Azoren sind jetzt unsere Chance.
Ich bin kein großer Freund von organisierten Touren, aber da die Wale nicht zu uns kommen und wir wohl kaum einfach zu ihnen schwimmen können, bleibt wohl nichts anderes übrig, als dass wir eine solche Tour buchen.
Es gibt heute Nachmittag noch zwei Touren, wobei bei der einen die Informationen auf Deutsch gegeben werden und bei der anderen nicht. Für die deutschsprachige Tour sind deutlich mehr Leute angemeldet, also nehmen wir die andere.
Portugiesisch
Wir gehen davon aus, dass die Waltour-Erläuterungen nicht nur auf Portugiesisch gegeben werden, sondern auch auf Englisch. Wobei man Wale eigentlich auch sehen können sollte, ohne etwas zu verstehen.
Denn Portugiesisch verstehen wir beide nicht. Und das ist sehr ärgerlich. Wir sind es von unseren zahlreichen Reisen in spanischsprachige Länder gewohnt, dass wir uns dort mit den Menschen verständigen können. Eine Begrüßung, die über ein profanes Hallo hinausgeht, ein wenig Smalltalk, ab und zu eine abendfüllende Unterhaltung mit den Menschen des jeweiligen Landes - das bereichert für mich eine Reise deutlich mehr als die tollste Sehenswürdigkeit oder der abenteuerlichste Ausflug. Und hier, auf den portugiesischen Azoren, bin ich sozusagen sprachlos. Das fühlt sich nicht gut an.
Natürlich müssen wir nicht verhungern oder verdursten, denn in der Regel kommt man mit Englisch recht weit, und wenn nicht, dann reden wir einfach Spanisch und werden dabei zumeist verstanden. Aber ein Essen zu bestellen oder nach dem Weg zu fragen, das ist etwas anderes, als sich unterhalten zu können.
Es macht bereits einen Unterschied, ob ich jemanden zur Begrüßung ein „Good morning“ oder ein „Bom dia“ entgegenbringe, beobachte ich, nur leider hören schon hier meine portugiesischen Sprachkenntnisse auf. Verflixt.
Das seltsame am Portugiesischen ist, dass man das geschriebene Portugiesisch oftmals ganz gut verstehen kann, wenn man ein wenig Spanisch gelernt hat, aber gesprochenes Portugiesisch: keine Chance.
„El portugués es un castellano mal hablão“, diesen nicht ganz ernst gemeinten spanischen Spruch habe ich irgendwann einmal gelesen, und jetzt fällt er mir wieder ein. Portugiesisch sei demnach falsch ausgesprochenes Spanisch, und zur Untermauerung dieser These sieht das letzte Wort, das eigentlich „hablado“ heißen müsste, schon nach portugiesischer Aussprache aus.
Wenn es nur so einfach wäre.
Ich verstehe jedenfalls kaum ein Wort von den portugiesischen Erläuterungen und Durchsagen auf unserem Walboot, und der Gruppe Spanier, die mit uns dabei ist, scheint es ähnlich zu gehen.
Aber alles wird auf Englisch wiederholt. Vielen Dank. Jedoch ist die englische Version oftmals viel kürzer als die portugiesische. Vermutlich ist es genau so, wie ich es schon häufig dort nachvollziehen konnte, wo ich sozusagen die Originalsprache verstanden habe: Alles, was dem Sprecher spontan einfällt, kleine Anekdoten, persönliche Ergänzungen, witzige oder ironische Anmerkungen, all das geht bei der Übersetzung verloren. Also all das, was eigentlich wirklich interessant wäre.
Azorenhoch
Von den Azoren habe ich bisher fast ausschließlich in der Wettervorhersage etwas gehört, immer dann, wenn ein Azorenhoch unser Wetter bestimmt.
Wo so viele Hochdruckgebiete herkommen, da muss es traumhaftes Wetter geben, könnte man denken. Aber mit dem Wetter auf den Azoren ist es wie mit dem sprichwörtlichen Schuster und seinen Schuhen. Oder wie mit den Argentiniern und ihrem Rindfleisch, aber das ist eine andere Geschichte.
Während unseres Aufenthalts auf São Miguel ist das Wetter äußerst abwechslungsreich, so könnte man es wohl am besten beschreiben. Da fängt es unvermittelt heftig zu regnen an, komplett durchnässt steigen wir in unser Auto, fahren eine halbe Stunde zurück nach Ponta Delgada, wo uns traumhaft blauer Himmel erwartet.
Heute ist es aber durchgängig grau. Mal regnet es, mal nicht. Von wegen Azorenhoch. Und somit ist es auf unserem Walbeobachtungs-Boot auch ziemlich ungemütlich.
Walbeobachtung
Als auf den Azoren noch Walfang betrieben wurde, gab es auf den Inseln Beobachtungsposten, von wo aus das Meer nach Walen abgesucht wurde und dann die Boote dorthin gelotst wurden.
Im Grundsatz wurde dieses Verfahren beibehalten. Nur dass heute die Wale am Leben gelassen und lediglich den Touristen gezeigt werden. Was dann doch deutlich sympathischer ist, finde ich.
Der Ablauf unserer Walbeobachtungs-Tour lässt sich wie folgt zusammenfassen: Wir fahren eineinhalb Stunden mit dem Boot über das Meer, dort taucht umzingelt von zahlreichen anderen Booten ein Wal auf, immerhin ein achtzehn Meter großer Pottwal, der wird dann eine halbe Stunde lang beobachtet, wovon er allerdings die meiste Zeit unter Wasser und damit gar nicht sichtbar ist, und dann fahren wir eine Stunde lang wieder zurück.
Falls ich es noch nicht erwähnt habe: Ich bin kein großer Freund von solchen organisierten Touren.
Region: | Azoren |
Ort: | Ponta Delgada |
Reisedatum: | 07.09.2018 - 08.09.2018 |
Autor: | Manuel Sterk |
Veröffentlicht: | 19.09.2018 |
Leser bisher: | 143 |
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