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Brasilien
Salvador

Höchste Alarmstufe

Lesedauer: ca. 8 Minuten

Salvador gilt als die gefährlichste Stadt Brasiliens, was bei der in diesem Land bereits recht hoch hängenden Messlatte einiges zu bedeuten hat. Es ist also sicherlich nicht verkehrt, sich im Vorfeld ein wenig damit zu beschäftigen, in welchen Vierteln man sich zu welchen Uhrzeiten aufhalten kann bzw. wo man das eben besser nicht sollte.

Noch können wir nicht wissen, dass unser eigentliches Problem in Salvador aber nicht die Sicherheitslage sein wird.

Regen

Von der Terrasse unserer Unterkunft, die sich in einer geschlossenen Wohnanlage im (recht sicheren) Stadtteil Rio Vermelho befindet, hat man einen wunderschönen Meerblick. Oder genauer gesagt: Man hätte einen Meerblick. Denn es regnet. Und regnet. Und regnet. Man sieht eigentlich immer nur grau.

Der Pool der Anlage ist zwar schön anzusehen, aber bei dem Dauerregen ist es nicht wirklich verlockend, ihn auch zu nutzen.

Dass es überall dort, wo wir auftauchen, zu regnen beginnt, das sind wir auf unseren Reisen gewohnt. Auch Dauerregen kennen wir zu genüge. Trotzdem macht das hier keinen Spaß. Und möglicherweise hätte uns bereits jetzt klar sein sollen, dass diese Regenmengen vielleicht nicht ganz normal sind.

Pause

Kaum zu glauben! Eine Regenpause!

Wir wollen diese Gelegenheit nutzen, um in die Altstadt zu fahren, damit wir wenigstens etwas von Salvador gesehen haben.

Die Frage ist nur, wie wir dorthin kommen.

Busnummern-Bingo

In unserem Reiseführer steht, dass das Bussystem in Salvador unverständlich und mangels Linienplänen und Haltestellen-Aushängen für Touristen kaum nutzbar ist.

Dabei ist es eigentlich ganz einfach: Google Maps kennt die Buslinien, zumindest annähernd, und mit ein wenig Phantasie kann man so problemlos herausfinden, welche Linien man wohin nehmen kann.

Nadine und ich haben hierzu ein perfektes System etabliert: Nadine hält mit ihren in die Ferne unschlagbar guten Augen Ausschau nach der Nummer von sich nähernden Bussen, nennt sie mir, und ich überprüfe in Google Maps, ob dieser Bus für unser Ziel geeignet ist.

Das klingt dann in etwa so:
940
Nein
1030
Nein
7201
Nein
2079
Nein
933
Ja!

Und dann steigen wir ein.

Nadine hat einen 100-Reais-Schein in der Hand, und da der Ticketverkäufer nicht wechseln kann, dürfen wir umsonst mitfahren.

Da soll noch mal jemand behaupten, das Bussystem in Salvador wäre für Touristen nicht geeignet.

Kommunikation

Damit dieses Busnummern-Bingo aber überhaupt funktionieren kann, benötige ich zunächst eine brasilianische SIM-Karte für mein Handy.

Das Internet ist voll von Berichten, dass es schwer bis überhaupt nicht möglich ist, als ausländischer Tourist eine solche zu bekommen, wobei die erste Hürde wohl schon die fehlende Steuernummer ist. Man soll sich also eine von ausländischen Anbietern für Brasilien-Urlauber angebotene eSIM besorgen (geht bei meinem Handy aber nicht) oder sich eine entsprechende SIM-Karte bereits vor der Reise zuschicken lassen (zu spät).

Wir probieren dennoch, vor Ort an eine SIM-Karte zu kommen, trotz aller Berichte über die diesbezüglichen Schwierigkeiten.
In einer Mall an einem Busbahnhof finden wir auch gleich einen Laden des Anbieters Claro.

Ich hatte zu Beginn unserer Reise die Befürchtung, dass die Verständigung hier im Land mangels Portugiesischkenntnissen schwer wird, aber zumindest bisher war es eigentlich ganz einfach. Neben den üblichen Begrüßungsfloskeln reichen nämlich folgende portugiesischen Wörter aus:
„Você fala inglês?“ (Sprichst du englisch?)
Man sieht ein Stirnrunzeln im Gesicht des Gesprächspartners.
„... ou espanhol?“ (oder spanisch?)
Und das Stirnrunzeln wandelt sich zu einem entspannten Lächeln.
Und dann geht es mehr oder weniger auf Spanisch weiter.

Und auf diese Weise werden wir zunächst von dem Claro-Laden zu einem Stand am Eingang der Mall geschickt, wo ich dann innerhalb von zehn Minuten eine SIM-Karte inklusive Datenpaket bekomme. Das war jetzt nicht wirklich schwierig.

Genug Regen

Wir haben genug von dem Regen hier und möchten morgen die Millionenstadt Salvador gegen eine kleine Insel eintauschen, in der (vermutlich unbegründeten) Hoffnung, dass es dort nicht so viel regnet.

Das Problem: Die Bootsfahrten dorthin sind im Internet für morgen ausgebucht, erst übermorgen gibt es wieder Plätze.

Also warten wir eine Regenpause ab und spielen nochmal Busnummern-Bingo, um zur Bootsanlegestelle zu fahren, vielleicht lässt sich ja vor Ort etwas erreichen.

Und dann fängt es wieder an zu regnen. Wir flüchten in ein Restaurant. Dort kann man sich an einem Buffet bedienen und der Preis wird pro Kilo berechnet. Solche Restaurants sind eine der wenigen Möglichkeiten hier,
an vegetarisches Essen zu kommen.

Die nächste Regenlücke nutzen wir dann, um in die Unterstadt zu gelangen.

Dort befindet sich die Bootsanlegestelle. Und tatsächlich bekommen wir hier völlig problemlos Tickets für morgen.

Höchste Alarmstufe

Und dann fängt es wieder zu regnen an. Wir sind bis auf die Haut durchnässt, als wir in unserer Unterkunft ankommen.

Am nächsten Morgen regnet es immer noch, und wie. Wir verzichten diesmal auf das Busnummern-Bingo, denn bereits auf dem Weg zur Bushaltestelle würden wir komplett durchnässt werden.
Als Alternative bestellen wir uns eine Uber-Fahrt, wobei wir sogar auf den paar Metern zum Auto völlig nass werden und dann tropfend einsteigen.

Die Straßen sehen teilweise wie Flüsse aus, aber wir kommen erstaunlicherweise relativ problemlos an der Bootsanlegestelle an.

Dort warten wir eine knappe Stunde, bis uns dann mitgeteilt wird, dass wir nun zunächst mit einem Auto gefahren werden.

Und das war es dann. Nichts geht mehr, wir stecken fest.

Wir sitzen nun schon über zwei Stunden in diesem Auto. Es geht keinen Meter vorwärts. Zeit genug also, um online die lokalen Tageszeitungen durchzulesen.

Wenn ich es richtig verstanden habe, wurde in Salvador die höchste Alarmstufe ausgerufen. Es gibt Überflutungen und Erdrutsche, die Regenmenge ist bereits dreimal so viel wie eigentlich für den gesamten Monat zu erwarten wäre.

Und wir sind mal wieder mittendrin. War ja klar.

Land:Brasilien
Ort:Salvador
Reisedatum:24.11.2024 - 27.11.2024
Autor:Manuel Sterk
Veröffentlicht:27.11.2024
Leser bisher:36

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