São Paulo ist mit über 12 Millionen Einwohnern die größte Stadt des gesamten amerikanischen Kontinents. Ob so eine Megastadt ein guter Startpunkt für eine Reise ist?
Vermutlich nicht. Aber wir haben unseren Flug dorthin gebucht, bevor wir uns näher mit unserem Ziel beschäftigt haben, und außerdem war die Route von Stuttgart über Zürich nach São Paulo die einzige einigermaßen bezahlbare Verbindung nach Brasilien zu unserem Reisezeitpunkt.
Also São Paulo.
Der annullierte Flug
Allerdings sieht es nicht danach aus, dass wir überhaupt dorthin kommen. Wir wollen uns demnächst auf den Weg zum Flughafen machen, als wir die Nachricht aufs Handy bekommen, dass unser Flug nach Zürich annulliert wurde. Wie bitte?!
Die Lufthansa-Hotline kann uns nicht wirklich weiterhelfen. Alle Alternativen nach São Paulo sind ausgebucht oder nicht mehr erreichbar, die einzige Möglichkeit für uns wäre der gleiche Flug einen Tag später.
Also lassen wir unsere Rucksäcke stehen und gehen statt zum Flughafen in unsere Bar um die Ecke, wo wir uns vorhin erst von allen verabschiedet haben.
Der zweite annullierte Flug
Am nächsten Tag wiederholen wir alles.
Wir verabschieden uns in der Bar ein zweites Mal mit einem letzten Glas Sekt. Zum Spaß sagen wir dann noch: Bis heute Abend!
Noch können wir lachen.
Noch. Denn tatsächlich wiederholt sich wirklich alles. Inklusive der Nachricht, dass unser Flug nach Zürich annulliert wurde.
Wir befürchten, dass wir anstelle unserer Brasilien-Reise nun hier in Stuttgart in einer Endlosschleife gefangen sind, à la „Und täglich grüßt das Murmeltier“.
Und da wollen wir ausbrechen.
Also Plan B.
In einer halben Stunde geht ein Zug nach Zürich, sehen wir in der Bahn-App, und wenn wir den noch erwischen, könnten wir in Zürich rechtzeitig zu unserem Anschlussflug am Flughafen sein. Nadine klärt mit der Lufthansa-Hotline ab, dass sie uns in unserem São-Paulo-Flug eingecheckt lassen sollen, parallel machen wir uns fertig, schnappen unsere Rucksäcke und machen uns auf den Weg zum Bahnhof - und erwischen den Zug.
Uff. Geschafft.
Dachten wir.
Denn kaum sind wir unterwegs, bekommen wir die Nachricht aufs Handy, dass wir aus unserem Flug ausgebucht wurden und nun einen weiteren Tag später fliegen sollen, diesmal über Lissabon.
Nadine greift zum Handy und ruft wieder die Lufthansa-Hotline an. Das Problem ist nun, dass während der Zugfahrt regelmäßig der Handyempfang abbricht und Nadine aus der Leitung fliegt. Also alles von vorne. Und nochmal. Und nochmal. Und nochmal. Und nochmal. Alle im Zug kennen nun die Geschichte auswendig inklusive unserer Buchungsnummer und den persönlichen Daten, die Nadine jeweils zum Abgleich nennen muss.
Nach gut zwei Stunden sind wir zwar wieder auf den Flug eingebucht, haben aber keine Sitzplätze mehr, sondern stehen nur auf der Warteliste.
Wir geben auf. Vermutlich stranden wir heute Nacht am Flughafen in Zürich, während morgen früh unser Flug von Stuttgart über Lissabon ohne uns fliegt.
Aber soweit kommen wir erst gar nicht. Kurz vor Zürich bleibt der Zug stehen. Aus unbekannten Gründen, wie uns mitgeteilt wird. Draußen schneit es und wir frieren in unseren eigentlich für Brasilien vorgesehenen Sommerklamotten.
Irgendwie haben wir uns den Start unserer Reise etwas anders vorgestellt.
Das Ende der Geschichte
Um die Geschichte an dieser Stelle abzukürzen: Wir können es zwar selber kaum glauben, aber letztendlich sitzen wir in dem Flugzeug, sogar auf unseren ursprünglichen Sitzplätzen - und landen mit insgesamt nur wenig mehr als einen Tag Verspätung in São Paulo.
São Paulo
Wie kommen wir jetzt vom Flughafen in die Stadt? Bei all den Geschichten, die wir über Brasiliens Städte im Allgemeinen und über São Paulo im Besonderen gehört und gelesen haben, wäre es aus Sicherheitsgründen wohl das Vernünftigste, ein Taxi zu nehmen und uns chauffieren zu lassen. „Aber das machen wir doch sonst auch nie“, meint Nadine, und da hat sie natürlich recht.
Laut Google Maps gibt es eine direkte Zugverbindung in die Stadt, und daher suchen wir den Flughafenbahnhof. Dort steht dann allerdings die genannte Verbindung auf keinem Linienplan. Aber mit vermeintlich nicht existierenden Flughafenanbindungen haben wir bereits in der Vergangenheit gute Erfahrungen gemacht.
Und tatsächlich, einige Zeit später sitzen wir im Zug (mal wieder) und fahren rund dreißig Minuten am Stau vorbei Richtung Zentrum. Dort steigen wir in die Metro um und kommen so immer näher an unser Ziel. Bei Fahrtkosten von umgerechnet unschlagbaren 85 Cent pro Person haben wir gegenüber einer Taxifahrt also nicht nur Zeit, sondern auch einen Haufen Geld gespart.
Als wir aus der Metro aussteigen, machen wir unseren üblichen Check der Sicherheitslage: Wie belebt ist es hier? Wie tragen die Frauen ihre Handtaschen? Haben die Leute ihre Rucksäcke am Rücken oder vor dem Bauch? Wird während des Gehens mit dem Handy telefoniert?
Der Gesamteindruck ist: Die Gegend hier scheint entspannt zu sein. Also können wir die letzten Kilometer zu unserer Unterkunft zu Fuß gehen, denken wir.
Batman
Die Ecke, in der sich unsere Unterkunft befindet, heißt „Beco do Batman“. Mangels Portugiesischkenntnissen muss ich im Wörterbuch nachschauen: „Beco“ ist die Gasse. Und was hat Batman mit dieser Gasse zu tun? Wir werden sehen.
In und um diese Batman-Gasse gibt es unzählige Bars und Restaurants, alle Wände sind voll mit teilweise wirklich beeindruckenden Graffiti, darin eingebettet ein riesiger Kunstmarkt.
Vermutlich ist das nicht das typische São Paulo, falls es so etwas überhaupt gibt, aber als Einstieg perfekt.
Und auch unsere Unterkunft passt sehr gut hierher.
Avenida Paulista
Damit wir nicht nur unser Batman-Viertel sehen, machen wir uns auf den Weg zur Avenida Paulista, wo es angeblich alles gibt, unzählige Einkaufsmöglichkeiten, das vielseitigste gastronomische Angebot Brasiliens und was weiß ich noch alles.
Vor allem gibt es hier aber unglaublich hässliche Architektur zu bestaunen.
Wobei die Gebäudekombinationen mitunter dann doch recht interessant sind.
Caipirinha To-Go
Auf dem Rückweg steigen wir an einer anderen Metro-Haltestelle aus als beim ersten Mal. Der Aufgang aus dem Tunnel sieht schon mal recht interessant aus.
Leider verläuft unser Weg von dort Richtung Batman direkt an einer Hauptstraße.
Also biegen wir ab - und landen ein paar Blöcke weiter mitten in einem riesigen Flohmarkt, dazwischen spielen Bands und fast alle hier haben einen Halbliterbecher Caipirinha in der Hand. Interessant.
Es dauert eine Weile, bis wir herausgefunden haben, wo es die Caipirinha gibt - aber dann holen wir uns natürlich auch eine, schließlich möchten wir ja nicht unangenehm auffallen.
Eine letzte Batman-Caipirinha
Auch in unserem Batman-Viertel spielen mittlerweile Bands.
Wir schnappen uns einen der letzten freien Tische und bestellen noch eine Caipirinha.
Und das war es dann auch.
Wir wollten uns eigentlich nur von diesen beträchtlichen Caipirinha-Mengen und der doch recht aufreibenden Anreise ausruhen - werden aber vor dem nächsten Morgen nicht mehr wirklich wach.
Batman am Morgen
Es ist Sonntag früh am Morgen, leichter Nieselregen - und somit fast niemand auf der Straße. Das nutzen wir aus, um uns die Graffiti in dem Viertel einmal in Ruhe und ohne tausend Menschen anschauen zu können.
Weiterreise
Entgegen allem Negativen, was uns einige über São Paulo erzählt haben, kann ich nur sagen: Das war wider Erwarten ein sehr guter Start in Brasilien.
Trotzdem verlassen wir die Stadt schon wieder und machen uns dazu auf den Weg zur Metro-Station.
Unsere Brasilien-Reise kann beginnen.
Land: | Brasilien |
Ort: | São Paulo |
Reisedatum: | 23.11.2024 - 24.11.2024 |
Autor: | Manuel Sterk |
Veröffentlicht: | 26.11.2024 |
Leser bisher: | 33 |
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