Kaffee trinken in Kolumbien, Ceviche essen in Peru und Caipirinha trinken in Brasilien - alles innerhalb weniger Stunden.
Das wäre hier, im Dreiländereck am Amazonas, problemlos möglich. Wir setzen diesen Plan allerdings nicht genau so um, insbesondere lassen wir in Peru das Essen ausfallen, trinken aber dafür in Brasilien eine Caipirinha mehr.
Danach könnten wir, wieder zurück in Kolumbien, zur exakt selben Uhrzeit, an der wir vorher die erste Caipirinha getrunken haben, noch eine letzte trinken. Denn die kolumbianische Stadt Leticia und die brasilianische Stadt Tabatinga sind zwar zu einer Stadt zusammengewachsen und man kann problemlos hin und her gehen, aber sie befinden sich in zwei verschiedenen Zeitzonen.
Das Dreiländereck am Amazonas
Nicht nur Kolumbien und Brasilien grenzen hier aneinander, sondern auch nach Peru kommt man in wenigen Minuten. Dazu muss man sich allerdings kurz in ein Boot setzen und quer über den Amazonas nach Santa Rosa fahren lassen.
Innerhalb eines großzügig festgelegten Umkreises darf man sich zwischen den drei Ländern frei bewegen, aber wenn man diese Region verlassen möchte, muss man vorher die Grenzformalitäten erledigen, wofür man allerdings erstmal herausfinden müsste, wo und zu welchen Öffnungszeiten dies jeweils möglich ist.
Wenn unser 90-Tage-Touristen-Visum in Kolumbien kurz vor dem Ablaufen wäre, könnten wir jedenfalls die Gegebenheiten hier prima nutzen, um für ein paar Tage nach Brasilien zu gehen, um dann mit einem neuen 90-Tage-Visum erneut in Kolumbien einzureisen. Wir könnten dabei die ganze Zeit in unserer kolumbianischen Unterkunft bleiben, schließlich würde sich ja niemand daran stören, dass wir uns auch als offizielle Brasilien-Besucher in Kolumbien aufhalten. Wirklich sehr praktisch. Mangels Notwendigkeit müssen wir allerdings nicht ausprobieren, ob das wirklich so funktionieren würde.
Warum sprechen wir kein Portugiesisch?
Wir quartieren uns für ein paar Tage in einer Lodge an einem Nebenfluss des Amazonas ein, wo wir uns, wie wir erfahren, nun in Peru befinden. Nach unserem Aufenthalt dort werden wir dann bis zur brasilianischen Stadt Benjamin Constant zurück gebracht, von dort müssen wir mit einem Boot des öffentlichen Nahverkehrs weiter nach Tabatinga.
Brasilien hat definitiv die besten Ortsnamen in dieser Region, möchte ich an dieser Stelle anmerken.
Für diese Bootsfahrt bekommen wir die Tickets mit der Nummer 1 und 2 überreicht. Das ist schlecht. Denn das Boot fährt erst los, wenn alle zwölf Tickets verkauft sind.
Bei jedem, der den Steg zur Anlegestelle hinunter geht, hoffen wir, dass er sich ein Ticket kauft, aber die meisten kaufen nur ein Bier und setzen sich damit zu den anderen Leuten hier am Hafen.
Knapp eine Stunde müssen wir warten, bis tatsächlich jemand das Ticket mit der Nummer 12 in die Hand gedrückt bekommt. Ich kann gerade noch den Reflex unterdrücken, zu applaudieren.
Und dann geht es auch gleich los und das Boot fährt uns im immer stärker werdenden Regen zuerst zum Amazonas und dann auf diesem nach Tabatinga.
Am Hafen werden wir vom Juniorchef der Agentur, bei der wir den Lodgeaufenthalt gebucht haben, persönlich abgeholt. Den Grund für diesen besonderen Service erfahren wir gleich: Seine kleine Tochter geht nämlich in Tabatinga zur Grundschule, damit sie dort, in Brasilien, portugiesisch lernt, schließlich wird zuhause, in Kolumbien, nur spanisch gesprochen. Ob es uns etwas ausmachen würde, wenn er einen kleinen Umweg fahren und seine Tochter von der Schule abholen würde? Natürlich nicht.
Als sie dann mit im Auto sitzt, beginnt sie auch gleich, etwas zu erzählen. Auf Portugiesisch. Ihr Vater erklärt ihr dann, dass „seine Freunde“ nur Spanisch verstehen und kein Portugiesisch. „Warum nicht?“ fragt sie erstaunt zurück.
Gute Frage. Offensichtlich sind wir Touristen die einzigen hier, die nicht problemlos zwischen beiden Sprachen wechsel können, mitunter auch mitten im Satz. Das erinnert mich ein wenig an die lustige englisch-spanische Mixtur auf Gibraltar, wo sich mir vor ein paar Jahren die Floskel „Muchas thank you“ ins Gedächtnis eingebrannt hat.
Caipirinha
Aber um auf die eingangs erwähnte Möglichkeit zurückkommen, die sich dadurch bietet, dass man hier mit nur wenigen Schritten nicht nur von einem Sprachraum in einen anderen wechseln kann, sondern auch von einer Zeitzone in eine andere: Dass wir zur selben Uhrzeit, an der wir die erste Caipirinha getrunken haben, nun noch eine letzte trinken, das lassen wir besser sein.
Die brasilianischen Caipirinhas haben uns bereits derart den Boden unter den Füßen weggezogen, dass wir nach einer weiteren Caipirinha vermutlich nicht mehr wissen würden, in welchem Land und in welcher Zeitzone wir uns gerade befinden. Man bekommt hier die Caipirinha in einem Halbliterkrug und einem beachtlichen Alkoholgehalt serviert - und das für umgerechnet 2,40 Euro, ein wahrlich gutes Preisleistungsverhältnis.
Auch der Mann am Nachbartisch rechts hat schon genug Caipirinha-Krüge hinter sich, seinem Blick nach zu urteilen. Er trinkt noch ein Abschlussbier, dann steigt er auf sein Moped und fährt nach Hause.
Und wir verabschieden uns von den beiden Holländerinnen am linken Nachbartisch, die sich gerade systematisch durch alle Biersorten Brasiliens trinken, und schwanken zurück zu unserer Unterkunft in Kolumbien. Unterwegs lobt Nadine noch einen verdutzten Soldaten, dass er als einziger hier ein alkoholfreies Getränk in der Hand hat.
Sobald wir die Grenze überschritten haben, läuft an jeder Straßenecke ein Fernseher oder es wurde eine Leinwand aufgebaut. Ein offensichtlich für Kolumbien sehr wichtiges Fußballspiel wird gerade übertragen. Auch die Motorradfahrer halten bei nächstbester Gelegenheit an, um gebannt dem Spiel zu folgen.
Land: | Kolumbien |
Ort: | Leticia |
Reisedatum: | 15.03.2024 - 23.03.2024 |
Autor: | Manuel Sterk |
Veröffentlicht: | 21.11.2024 |
Leser bisher: | 13 |
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