Sucre ist die Hauptstadt Boliviens und die Stadt der Schokolade. Für uns ist sie aber vor allem die Stadt der warmen Dusche und die Stadt des besten Preisleistungsverhältnisses.
Die Unterkunft mit warmem Wasser
Auf halber Strecke zwischen dem Busterminal und der Innenstadt von Sucre finden wir ein Hostel mit einem schönen grünen Innenhof, wo wir ein Doppelzimmer mit eigenem Bad und einem Balkon mit Blick über die Dächer von Sucre bekommen. Und das für nur hundert Boliviano, etwa dreizehn Euro pro Nacht.
Bolivien scheint unsere Reisekasse schonen zu wollen, was sehr gut ist, nachdem die paar Tage im teuren Chile ganz schön viel Geld verschlungen haben.
Jedenfalls, was das Beste an unserem Zimmer ist: Aus unserer Dusche kommt richtig warmes Wasser. Zum ersten Mal seit Tagen dürfen wir diesen Luxus genießen.
Ich kann mir durchaus vorstellen, warum für manche Reisende Bolivien nicht unbedingt als Lieblingsdestination gilt: Nachts Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt, keine Heizungen, es zieht durch die geschlossenen Fenster - und dann nicht einmal eine heiße Dusche. Das muss man wollen. Oder einfach nur aushalten.
Andererseits wird man durch nichts so schnell wach wie durch eine eiskalte Dusche bei ebenso kalter Zimmertemperatur und tiefgekühlten Bodenfliesen. Ich habe das heute Morgen erst ausprobiert.
Hier in unserem neuen Zimmer in Sucre gibt es eine erstaunlich gut funktionierende „Superducha“, also eine Superdusche. Das ist ein überdimensionaler Duschkopf, in dem eine Art Tauchsieder eingebaut ist, der das durchfließende Wasser erwärmt. Diese Dinger heißen in Wirklichkeit nicht Superducha sondern irgendwie anders, aber uns sind sie das erste Mal vor einigen Jahren in Kuba begegnet, wo es überall ein Einheitsmodell mit dem Namen „Superducha“ gab, und seitdem nennen wir sie so.
Aus unerfindlichen Gründen sind die Anschlusskabel grundsätzlich nur zwei bis drei Zentimeter lang und werden dann auf abenteuerlichste Weise mit der Stromleitung verbunden, direkt an der zumeist undichten und tropfenden Wasserleitung. Hat man Glück, ist die Verbindung noch mit Isolierband abgeklebt. Wenn man unter der Dusche steht, sollte man sich also besser keine Gedanken über die Wechselwirkungen von Wasser und Stromspannung machen. Meistens haben diese Duschköpfe noch Schalter oder Regler, mit denen man die Temperatur einstellen kann, aber man müsste schon sehr mutig sein, um diese anzufassen und zu bedienen.
Das Mittagessen
Auf dem Weg vom Busterminal sind wir an einem kleinen Restaurant vorbeigekommen, das laut der aufgehängten Tafel Sopa de Maní anbietet, die berühmte bolivianische Erdnusssuppe. Nadine möchte diese unbedingt ausprobieren, und da die Mittagessenszeit schon fast vorbei ist, wollen wir sicherheitshalber keine Zeit damit verlieren, ein anderes Restaurant zu suchen, also gehen wir den Weg wieder zurück.
Das Restaurant ist zwar eigentlich bereits geschlossenen, aber wir bekommen trotzdem noch ein Mittagsmenü, bestehend aus der Sopa de Maní und einem Hauptgang. Beides ist erstaunlich lecker - und kostet unschlagbare zwölf Boliviano, etwa 1,50 Euro. Das Preisleistungsverhältnis in Sucre gefällt mir immer besser.
Die Señora
Wir müssen dringend Klamotten waschen, also fragen wir im Hostal nach, ob sie einen Reinigungsservice anbieten. Als Antwort bekommen wir: Nein, weil die Señora nicht mehr arbeitet.
Zunächst erscheint uns diese Begründung ein wenig schleierhaft, aber etwas später treffen wir die Señora, eine richtig alte Frau. Dass sie sich nicht mehr um unsere Wäsche kümmern kann, das erscheint uns nachvollziehbar.
Vor allem, weil es hier im Hostel keine Waschmaschine gibt, wie wir später feststellen, sondern die Wäsche von Hand in einer Waschschüssel gewaschen wird.
Also machen wir uns mit unserer Schmutzwäsche in der Hand auf den Weg in die Innenstadt, auf der Suche nach einer Reinigung.
Die Innenstadt
Laut Reiseführer ist Sucre die schönste Stadt Boliviens, und womöglich trifft dies auch zu, wenn man denn etwas von dieser schönen Stadt sehen würde.
Denn Sucre ist vollgestopft mit Autos. Wohin man auch blickt, man sieht nur Autos. Eine Fußgängerzone gibt es hier nicht.
Schade eigentlich, denn die Innenstadt ist voll von beeindruckenden Gebäuden.
Sogar der schöne Innenhof unseres Hostels wird irgendwann zugeparkt. Und einen Block weiter gibt es ein Hotel, da parken die Autos direkt in der Empfangshalle vor dem Rezeptionstresen. Wer gerne von vielen Autos umgeben ist, der wird sich in Sucre wohlfühlen.
Die Markthalle
Bei einem Stadtspaziergang kommen wir an der Markthalle vorbei. Die Gemüse- und Obstabteilung ist ein Fest für alle Sinne. Irgendwie sieht es hier aus wie gemalt, denke ich.
Und die Fleischabteilung ist ebenfalls etwas für alle Sinne. Wer Vegetarier werden möchte, dem empfehle ich den Besuch eines südamerikanischen Fleischmarkts.
Und dann gibt es hier noch einige Besonderheiten. Beispielsweise die Tortenabteilung. Eine unglaubliche Menge an Torten ist hier aufgereiht, es sind so viele, dass ich sie gar nicht gesehen habe, Nadine musste mich erst darauf aufmerksam machen.
Der Aussichtspunkt
Eine Internetseite verspricht den besten Ausblick über die Stadt, man müsste aber dazu eine Viertelstunde den Berg hinaufgehen, was sehr anstrengend sei, also sollte man besser ein Taxi nehmen.
Offensichtlich ist diese Seite für ein amerikanisches Publikum geschrieben. Denn eine Viertelstunde Fußweg erscheint uns eigentlich machbar, zumal es davon nur fünf Minuten wirklich bergauf geht, wie wir feststellen.
Aber mit dem Ausblick hat die Internetseite nicht zuviel versprochen. Auch wenn die starke Bewölkung alles in graues Licht taucht.
Das beste hier oben ist aber, dass dieser Ort offensichtlich die angesagteste Location für Fotoshootings in ganz Sucre ist: Eine Gruppe an Ärzten in mehr oder weniger weißen Kitteln arrangiert über Stunden ein Gruppenfoto, zwei Hochzeitspaare sind da, und ein weiteres Hochzeitspaar heiratet gerade in der Kirche am Platz.
Oder zumindest will es heiraten: Wie offensichtlich so viele Frauen möchte auch diese Braut an ihrer Hochzeit wie eine Märchenprinzessin aussehen. Das Problem ist nur, dass sie derart korpulent ist, dass es niemandem gelingt, das Brautkleid zuzubekommen. Die Hochzeitsgesellschaft wird allmählich etwas nervös.
Eine andere Braut posiert in einem lilafarbenen Kleid, das für uns aussieht wie eine Küchengardine. Aber natürlich verstehen wir nichts von den hiesigen Bräuchen und Gepflogenheiten.
Das Konsulat
Wir wollen die Gelegenheit nutzen, die Stadt ein wenig besser kennenzulernen, und gehen nicht auf direktem Weg zurück ins Zentrum, sondern spazieren ziellos durch die Gegend.
Nun mag ein solches Vorhaben in einer südamerikanischen Großstadt vielleicht nicht unbedingt die beste Idee sein. Spätestens seit dem Raubüberfall in Valparaíso sind wir besonders vorsichtig geworden.
Unsere Methode zur Risikoeinschätzung ist folgende: Wir beobachten die Einheimischen. Wenn in einem Stadtteil die Frauen alleine durch die Gegend spazieren, die Handtasche locker über die Schulter gehängt, das Handy in der Hand, dann ist die Situation anders einzuschätzen als wenn jeder seine Tasche vor dem Bauch festhält. Und wenn die Autos einfach auf der Straße parken anstatt in bewachten Parkplätzen weggesperrt zu sein, dann lässt auch das Rückschlüsse auf die Sicherheitslage zu.
Und hier scheint alles im grünen Bereich zu sein. Zudem befinden wir uns offensichtlich in einem eher reichen Viertel, mit seinen Häusern, die im Gegensatz zu denen in anderen Stadtteilen fertig gebaut sind, und mit seinen Kindergärten, die genau so heißen.
Und plötzlich stehen wir vor einem uns wohlbekannten Symbol: dem deutschen Bundesadler. Wir sind ein wenig verblüfft, das hier in Bolivien zu sehen, aber dann wird uns bewusst, dass wir uns schließlich in der Hauptstadt befinden. Auch wenn diese Stadt nicht diesen Eindruck macht und wenn La Paz als Regierungssitz wohl eine größere Bedeutung hat. Aber dennoch wird es hier natürlich Botschaften oder zumindest Konsulate geben.
Die Party
Vielleicht ist in Sucre ja entgegen meiner ursprünglichen Einschätzung gar nicht das Preisleistungsverhältnis so gut, sondern nur der Preis. Denn irgendein Essen oder Trinken war offensichtlich nicht gut.
Innerhalb von kurzer Zeit ist mir unglaublich übel, ich bekomme Fieber, ich friere, ich fühle mich krank. Erstaunlich, dass das so schnell gehen kann. Und somit verbringe ich diesen Samstagabend krank im Bett.
Wenn ich nun wenigstens schlafen könnte: In der Nähe unseres Hostels ist die Hölle los. Alle zehn Minuten geht eine Autoalarmanlage los, um die Ecke scheint eine riesige Fiesta zu sein, es läuft laute Musik, ein Moderator animiert das Publikum, zu was auch immer. Irgendwann ist die Musik aus, nur der Moderator schreit noch in die Menge, eine halbe Stunde lang.
Und dann, gegen zwei Uhr nachts, geht die Party richtig los: Die Autoalarmanlage gibt alles, der Moderator brüllt in sein Mikrofon und es läuft Cheri Cheri Lady von Modern Talking.
Land: | Bolivien |
Ort: | Sucre |
Reisedatum: | 07.12.2018 - 10.12.2018 |
Autor: | Manuel Sterk |
Veröffentlicht: | 10.12.2018 |
Leser bisher: | 442 |
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