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Kolumbien
Arusí

N+M Regenservice GmbH & Co. KG

Lesedauer: ca. 9 Minuten

Dieses Jahr ist es im Chocó ungewöhnlich trocken, seit drei Monaten hat es hier nicht mehr geregnet. Und das in einer der nassesten Regionen der Welt. Das ist nicht gut. Aber keine Sorge, wir kommen schon!

Unser Boot landet am Strand von Arusí. Der Bootsführer hat unterwegs von einem Fischer einen riesigen Thunfisch zugeworfen bekommen, und jetzt beim Aussteigen muss man einen großen Schritt machen, um über eben diesen Thunfisch zu steigen und dann aus dem Boot zu klettern. Fast wäre mir diese Kletteraktion misslungen und ich wäre auf dem Thunfisch gelandet.

Arusí

Arusí ist ausgestorben, kein Mensch ist auf der Straße. Oder genauer gesagt: auf den Straßen. Denn es gibt hier zwei davon.

Es ist nicht das erste Mal auf unserer Reise, dass wir uns bei der Ankunft an einem Ort fragen, was wir hier eigentlich wollen.

Aber auf alle Fälle scheint es hier ruhig zu sein. Und somit freuen wir uns auf ein paar erholsame Tage.

Aber selten haben wir uns mit einer Einschätzung derart geirrt. Wenn wir bei unserem Spaziergang etwas besser aufgepasst hätten, hätten wir erahnen können, was uns später erwartet...

Jedenfalls begegnen wir dann doch noch Menschen. Ein paar junge Männer sitzen im Schatten vor einem Haus und trinken Bier. Als wir sie ansprechen, um nach dem Weg zu fragen, versuchen sie äußerst angestrengt, einen klaren Satz zu formulieren, was aber irgendwie nicht gelingen will. Das Bier, das sie jeweils in der Hand halten, scheint also offensichtlich nicht das erste zu sein.

Die familiäre Unterkunft

Wir gehen zu einer Unterkunft in einem Garten direkt am Meer.

Die Besitzerin und ihre fünf Hunde begrüßen uns herzlichst. Wir sind die einzigen Gäste, haben also freie Zimmerwahl.

Wir entscheiden uns für das obere Zimmer in einer freistehenden Hütte, und das wird nun für uns fertig gemacht.
Allerdings ist es so, dass dieses Zimmer Ramona gehört, erfahren wir später. Ramona ist die Hauskatze. Und die muss nun wegen uns umquartiert werden. Sorry, Ramona!

Etwas später kommt noch die Tochter und die Enkelin der Besitzerin von einer langen Reise zurück. Sie waren bei einem Arzt, was eine mehrtägige Reise mit Boot und Flugzeug erforderlich machte.

Der verwandelte Ort

Wir haben das Abendessen in einem von der Dorfgemeinschaft betriebenen Restaurant vorbestellt, und als wir am Abend dorthin gehen, präsentiert sich der Ort vollständig gewandelt:
Es sind Leute auf der Straße, überall läuft laute Musik, man wird von mindestens drei Seiten gleichzeitig beschallt.

Stromzeiten

Zum Glück gibt es in Arusí nur bis zehn Uhr Strom. Danach wird es ruhig werden, hoffen wir.

Anfangs haben wir gerätselt, warum es hier in jedem Dorf nur zu bestimmten, jeweils unterschiedlichen Zeiten Strom gibt.

Dabei ist die Erklärung ganz einfach: Jedes Dorf verfügt über einen eigenen zentralen Stromgenerator. Und der zur Verfügung stehende Kraftstoff reicht nicht für eine durchgängige Stromversorgung, also werden pro Dorf entsprechende Uhrzeiten festgelegt.

Das Generatorhaus eines Dorfs zu finden, ist nicht allzu schwer: Man muss nur dem lautem Brummen folgen. Zumindest während der Stromzeiten, denn danach ist es natürlich ruhig. Und stockfinster, so dass man das Haus gar nicht sehen würde.

Jedenfalls gehen wir trotz der lauten Musik um uns herum früh ins Bett, wir sind hundemüde. Und schließlich sollte es demnächst ja mit der Musik vorbei sein.

Und dann, gegen zehn Uhr, wird es tatsächlich ruhig. Aber nur für einen Moment, dann dreht die Musik wieder mit voller Lautstärke auf.
Das darf doch wohl nicht wahr sein! Ausgerechnet die Bar bei uns um die Ecke hat einen eigenen Stromgenerator angeworfen.
Am Schlaf ist bei dieser Lautstärke und den brummenden Bässen nicht zu denken.

Die offene Bauweise hier in der Region hat den Vorteil, dass jeder noch so leichte Luftzug durch das Haus zieht und die Temperatur darin erträglich wird. Aber der Nachteil ist, dass auch akustisch alles durch das Haus zieht, sozusagen.

Wir packen zwei Plastikstühle und gehen mit diesen soweit den Strand entlang, bis die Musiklautstärke erträglich wird. Dort bleiben wir dann eine Weile.

Der herbeigesehnte Regen

Gegen zwei Uhr geht die Musik endlich aus. Wir hoffen, wenigsten noch ein paar Stunden Schlaf abbekommen zu können.
Aber dann: Ein kräftiger Donner. Es blitzt. Es fängt an, heftig zu regnen. Ein starker Wind zieht auf.
Wir versuchen, alle Öffnungen unseres Zimmers, die sich schließen lassen, zu schließen, aber es reicht nicht. Der Wind peitscht den Regen bis in unser Bett.

Das wird heute also nichts mit Schlaf.

N+M Regenservice GmbH & Co. KG

Wir gehen in die Küche, wo sich nach und nach die gesamte Familie inklusive zahlreicher Hunde zum Frühstück versammelt. Auch ein Huhn klettert durchs Fenster, wird aber wieder nach draußen komplimentiert.

Die Besitzerin bedankt sich bei uns, dass wir den lange herbeigesehnten Regen mitgebracht haben.

Keine Ursache, das machen wir immer so.
Fast überall, wo wir hinkommen, fängt es zu regnen an, auch zu den untypischsten Jahreszeiten. Oder in eigentlich trockenen Regionen. So haben wir beispielsweise in der trockensten Wüste der Welt, der Atacama-Wüste in Chile, für Regen gesorgt. Oder, erst letztes Jahr, haben wir eine lang andauernde Trockenperiode in Spanien beendet, genauer gesagt in Katalonien. Allerdings haben wir dann dort beinahe Hausverbot bekommen, weil es auch nach unserem Besuch noch wochenlang weitergeregnet hat, und das war nun auch wieder nicht recht.

Wir berichten noch über ein paar weitere Erfolge, wo wir auf unseren Reisen überall für Regen gesorgt haben. Und wie immer werden wir gebeten, für den Fall einer weiteren zu lange dauernden Trockenperiode unsere Telefonnummer dazulassen.

Vielleicht sollten wir daraus wirklich ein Geschäft machen, die Nadine und Manuel Regenservice GmbH und Co. KG.

Der nächste Auftrag

Noch während des Frühstücks wird im Haus hinter uns die Musik aufgedreht. Wir befürchten, dass das jetzt den ganzen Tag und vorallem auch die ganze nächste Nacht so weiter geht. Vielleicht sollten wir besser woanders hin?

Wir erkundigen uns, ob uns die Ebbe noch ausreichend Zeit lässt, um ohne zu schwimmen ins nächste Dorf zu kommen. Die Mehrheitsmeinung ist, dass wir noch ausreichend Zeit haben, also packen wir unsere Rucksäcke und ziehen los.

Unseren Auftrag hier haben wir ja bereits erledigt. Und unser nächster Auftrag wartet schon auf uns: Die Region am Amazonas hat ein extrem trockenes Jahr hinter sich und dieses Jahr sieht es bis jetzt so aus, als will die längst überfällige Regenzeit einfach nicht beginnen.

Spoiler: Wir brauchen zwar noch einige Zeit, um dorthin zu kommen, und auch vor Ort benötigen wir ein paar Tage, aber dann kommt auch dort der ersehnte Regen. Und wie!

Land:Kolumbien
Ort:Arusí
Reisedatum:08.03.2024 - 09.03.2024
Autor:Manuel Sterk
Veröffentlicht:23.03.2024
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